Wunderbar interessiertes Landpartie-Publikum
„Und was ist, wenn der Aktionstag floppt? Könnte womöglich der Eindruck entstehen, dass der Widerstand sich vor allem selbst feiert?“ fragte die Elbe-Jeetzel-Zeitung. Aber die Resonanz war auch für die Organisatoren überraschend: Mehrere tausend Menschen strömten auf den Platz vor dem Bergwerk, die Autos standen kilometerlang an der Strasse zwischen Gedelitz und Gorleben. Und an den Kennzeichen war klar zu belegen, dass es vor allem auswärtige Besucher/innen der Kulturellen Landpartie waren.
Es wurde tatsächlich eine Riesenparty, eine „gelungene Mischung aus Familienfeier, politischer Aufklärung und Festival“. Sie vor allem ein Erfolg der Bürgerinitiative Umweltschutz, die diese Idee entwickelt und organisiert hatte. Die Begeisterung im Plenum der KLP hielt sich in Grenzen, die Diskussionen verliefen dort kontrovers. Viele Veranstalter/innen fühlten sich mit dem Hinweis, die Kulturelle Landpartie verstehe sich doch als Bestandteil der Antik-Atom-Bewegung, moralisch unter Druck gesetzt. Ihren Besucher/innen wollten sie nicht zumuten, statt auf die Landpartie-Markt oder Ausstellungen nach Gorleben zu fahren. Deswegen seien sie schließlich nicht hergekommen. Sondern wegen der Kunst.
Immerhin 30 KLP-Aussteller/innen veranstalteten an den Atomanlagen mit ihren Ständen eine Mini-KLP. Vermutlich haben sie dort auch keine schlechten Geschäfte gemacht. Aber die Hauptsache waren die Informationen zu den Atomanlagen. Viele Besucher/innen wussten nicht, dass der Atommüll gar nicht unterirdisch lagert, sondern in einer Halle auf der anderen Straßenseite. Die Passagiere auf unseren Treckerrundfahrten um das Bergwerksgelände waren immer wieder über die gigantischen Dimensionen dieser „Erkundung“ erstaunt. Und verstanden, warum sich die Atomlobby nicht von diesem schon als Endlager vorbereitetem Milliardenbauwerk trennen möchte. Warum es im „Endlagersuchgesetz“ Privilegien genießt wie kein anderer Standort. Und warum die Endlagerkommission so besetzt ist, dass Gorleben unmöglich rausfliegen kann.
Wenn fünftausend Menschen sich an den Atomanlagen versammeln, sind darunter natürlich auch die üblichen autonomen Pubertanten. Es waren nur zwei Dutzend, aber die versuchten, den äusseren kleinen Zaun zu durchschneiden und bewarfen Polizisten mit Farbbeuteln. Die allermeisten Besucher/innen haben davon gar nichts mitbekommen, aber die Pressestelle der Polizei blies die Kabbeleien noch in der Nacht mächtig zu „gewalttätigen Auseinandersetzungen bis spät in die Nacht“ mit einem durch einen Farbbeutel verletzten Polizisten auf. Am schönsten ist der Satz „es kam zu Vermummungen“. Und wie üblich reagierte die überregionale Presse mit gleichlautenden Artikeln, die allesamt ausschließlich auf die Aktivitäten dieser kleinen autonomen Gruppe am Zaun abhoben, über die eigentliche Veranstaltung aber nicht berichteten.
Für die Bürgerinitiative, die Bäuerliche Notgemeinschaft und die beteiligten Aktiven aus den Reihen der KLP war die Widerstandspartie dennoch ein großer Erfolg. Auch wenn die Kulturelle Landpartie ansonsten den Eindruck vermittelt, das Landleben sei eine Idylle aus schönen Gärten und Oldschool-Kunsthandwerkern in Fachwerkhäusern: Viele KLP-Touristen haben einen Eindruck davon mitgenommen, warum dieser riesige wunde Punkt das Wendland schmerzt.
Man sollte die Intelligenz des Publikums niemals unterschätzen.